Jeden Sommer fahren einige Kinder von Carani auf ein Sommerlager und dieses Jahr durfte ich mit. Für knapp zwei Wochen waren wir mit 12 Kindern, 7 Mitarbeitern und einigen freiwilligen Helfern in Transilvanien unterwegs.
Die ersten zehn Tage ging es nach Praid. Das bedeutet von Timişoara aus sechs Stunden Autofahrt. Für mich war diese lange Fahrt perfekt, weil ich viel von Rumänien sehen konnte, und mit guter Musik, einer singfreudigen Kollegin & Kindern war die Stimmung im Kleinbus sehr ausgelassen.
Auf unserer Fahrt durch Dörfer und Städte fiel mir auf, wie farbenfroh die Häuser sind – gelb, orange, rot, lila, grün, blau, beige, braun in allen Farbvariationen. Außerhalb der Dörfer stehen oft Straßenverkäufer am Straßenrand, die Früchte oder Pilze verkaufen. Auffällig ist auch die Mischung von Modernem mit Tradiotionellem. Von Zeit zu Zeit begegneten uns Pferdekarren, andererseits waren auch einige neue, teure Autos unterwegs. Allerdings werden die vor allem von Stadtbewohner gefahren.
Der Unterschied zwischen dem Stadt- und Landleben wurde mir besonders vor Augen geführt, als wir durch ein Dorf fuhren, in dem Kühe auf der Straße trotteten. Meine Kollegin erzählte mir, dass die Kühe genau wüssten, wann es Zeit sei, nach Hause zu gehen, und sich von selbst auf den Weg machen würden. Die Kühe schienen wirklich jeden Tag auf der Straße zu gehen, denn von unserem Auto ließen sie sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen :b
In Praid angekommen, hatten wir unsere Tagesroutine. Jeden Vormittag ging es in ein stillgelegtes Salzbergwerk. In der riesigen Halle gab neben vielen Spielgeräten für Kinder, einer Kapelle und einem kleines Museum sogar einen Kletterpark. Dort durften die Kinder, die dazu in der Lage waren, klettern. Ein Mädchen weint jedes mal, wenn sie klettern darf, weil es für sie so eine besondere Erfahrung ist.
Außerdem wurde Morgengymnastik angeboten. Diese haben ich mit der Ältesten unserer Gruppe aus Carani mitgemacht. Für sie war die Gymnastik gut, weil sie leider mit 33 Jahren Rückenprobleme hat, was aber, glaube ich, auch an ihrer leichten körperlichen Behinderung liegen kann. Mir war der Sport ebenso wichtig, denn wie ich schon geschrieben habe, ist das Essen hier seehr gut und naja ich merke das inzwischen ein bisschen… 😀
Nachmittags folgten verschiedene Ausflüge. Wir besuchten z. B. ein Haus mit exotischen Schmetterlingen, gingen in ein Schwimmbad mit Salzwasser aus dem Salzbergwerk oder waren auf einem Spielplatz.
Am besten gefiel mir die Wanderung durch eine Salzschlucht. Ihren Namen verdankt sie den Salzhängen und dem aus dem Boden tretenden Salzwasser. In dem Tal kann man Salz in verschiedensten Formen sehen: von messerscharfen Salzriffen bis hin zu zerbrechlichen Salzkristallen im Wasser. Hervorstechend war für mich das kleine Moor dort. Während mein Chef sogar mit dem kompletten Körper im Moor war, habe ich mich wie die meisten Kinder mit meinen Beinen und Armen im Schlammmantel begnügt. Aber natürlich konnte das nicht lange so bleiben und nach einer kleinen Schlammschlacht war dann mein ganzer Körper mit Schlamm bedeckt. Gut, dass es einen Fluss neben dem Moor gab, in dem wir uns nach dem Trocknen waschen konnten. Nur im Gesicht ließen ein paar von uns noch eine Moormaske, da diese sehr gut für die Haut ist.
Für die letzten drei Tage des Sommerlagers waren wir in Braşov (Kronstadt). Trotz der kurzen Zeit dort unternahmen wir ziemlich viel. Wir besuchten die Schwarze Kirche in Braşov, ein sehr bedeutender gotischer Kirchenbau Europas, waren in einem Dinopark (dort stehen Plastikdinosaurier mit Erklärungstafeln) und auf Schloss Bran oder „Draculas Schloss“, von dessen Besuch ich allerdings nur abraten kann – zu überfüllt und man sieht in jedem Raum zusammenhanglos ein paar Möbel aus ganz unterschiedlichen Zeitaltern.
Den Bärenpark „Libearty“ kann ich euch hingegen nur ans Herz legen. Auf dem riesigen Gelände sind inzwischen 88 Bären, die aus Gefangenschaft und unzumutbarer Haltung befreit wurden. In diesem Käfig wurde beispielsweise ein Bär für 12 Jahre gehalten. Die einzige Nahrung die er bekam, war Mais. Aus dem Gitter an den Seitenwänden bestand auch der Boden, worauf Odi, der Bär, stehen musste. In dem Park konnte er sich zum ersten mal frei und in der Natur bewegen. Auf der Webseite des Parks http://bearsanctuary.com/ steht (auf Englisch) noch einiges mehr zu dem Park.
Was war aber meine Arbeit auf Tabără? Für die gesamte Dauer des Sommerlagers bekam jeder Betreuer ein Kind zugeteilt, für das er dann auf Ausflügen verantwortlich war. Ich hatte, wie alle anderen Angestellten aus Carani noch die Aufgabe, mich um die Kinder aus meinem Zimmer zu kümmern.
In Praid bestand mein Zimmer aus einem Mädchen mit ADHS, einer jungen Frau mit Down-Syndrom & Autismus, einer geistig eingeschränkten Frau im Rollstuhl und einer Kollegin. Zwei Betreuer für drei Kinder hört sich vielleicht viel an, aber wenn man bedenkt, dass allen beim Duschen geholfen werden mussten und zwei nicht nur beim Essen Unterstützung brauchten, sondern auch bei allem anderen, dann könnt ihr euch denken, dass wir immer genug zu tun hatten.
Trotzdem war für mich die Zeit nicht übermäßig anstrengend – was nicht nur daran lag, dass auf mich als Neuling Rücksicht genommen wurde, sondern auch, weil ich Spaß an meiner Arbeit gefunden habe. Zum Beispiel versuchte ich die junge Frau, die ich immer geduscht habe und die normalerweise kein Wort spricht, beim Duschen zum Lachen zu bringen.
Nicht nur zu dieser jungen Frau, sondern auch alle anderen Kinder konnte ich auf der Fahrt viel näher kennenlernen. Ich habe festgestellt, dass es nicht schwer ist, mit behinderten Menschen zu arbeiten oder einfach nur zu reden. Man muss es nur tun.